Schwangerschaftsdiabetes ist eine der häufigsten Schwangerschaftskomplikationen und betrifft oft sogar Frauen, die bisher völlig gesund waren. Da er meist keine typischen Beschwerden verursacht, ist er schwer zu erkennen – deshalb sind Screening-Untersuchungen von unschätzbarem Wert. Die wichtigste Massnahme in der Behandlung ist vor allem eine geeignete Schwangerschaftsdiät.
Was ist Schwangerschaftsdiabetes?
Schwangerschaftsdiabetes ist ein Zustand erhöhter Blutzuckerwerte (Hyperglykämie), bei dem die Glukosetoleranz des Körpers während der Schwangerschaft gestört ist. Das bedeutet, dass der Blutzuckerspiegel dauerhaft über dem Normalwert liegt. Dieser Zustand tritt ausschliesslich während der Schwangerschaft auf und gehört zu den häufigsten Komplikationen in dieser Lebensphase. Meistens betrifft er Frauen, die zuvor keinerlei gesundheitliche Probleme dieser Art hatten, aber nicht nur. Auch Frauen mit angeborenen Störungen der Insulinproduktion oder bereits vor der Schwangerschaft bestehender Insulinresistenz sind gefährdet.
Zudem sind Schwangere besonders gefährdet, bei denen bereits vor der Schwangerschaft ein (nicht diagnostizierter) Diabetes vorlag. Frühzeitige und umfassende Behandlung verbessert die Prognose für Mutter und Kind erheblich. Unbehandelter Schwangerschaftsdiabetes hingegen ist besonders gefährlich, da er meist ohne typische Symptome verläuft – was das Risiko für das ungeborene Kind erhöht. Eine Diagnose kann jedoch bereits im Frühstadium der Schwangerschaft gestellt werden.
Was kann Schwangerschaftsdiabetes verursachen?
Die Entstehung von Schwangerschaftsdiabetes ist komplex und multifaktoriell. Hauptursache sind Veränderungen im Kohlenhydratstoffwechsel sowie Anpassungsstörungen des mütterlichen Körpers, insbesondere zunehmende Insulinresistenz, verstärkt durch hormonelle Schwankungen und weitere innere und äussere Faktoren. Das Risiko steigt deutlich bei Übergewicht – Fettgewebe stimuliert die Insulinproduktion, was zu Hyperinsulinämie führt, die wiederum die Fettansammlung fördert: ein Teufelskreis.
Auch das Alter spielt eine Rolle – je älter die werdende Mutter, desto geringer ist oft die Fähigkeit des Körpers, hormonelle Veränderungen auszugleichen. Besonders häufig tritt Schwangerschaftsdiabetes bei Frauen über 35 Jahren auf. Weitere Risikofaktoren sind Bluthochdruck, Diabetes in früheren Schwangerschaften sowie familiäre Vorbelastung.
Symptome von Schwangerschaftsdiabetes
Die Symptome von Schwangerschaftsdiabetes sind unspezifisch, was eine frühzeitige Diagnose erschwert. Viele betroffene Frauen berichten von allgemeinem Unwohlsein oder Erschöpfung – was allerdings oft als normale Begleiterscheinung der Schwangerschaft interpretiert wird.
Typische (wenn auch nicht eindeutige) Anzeichen sind:
- Häufiges Wasserlassen
- Müdigkeit
- Schläfrigkeit
- Schwindel
- Erhöhte Erschöpfbarkeit
- Heisshungerattacken
- Starker Durst oder trockener Mund
Ein Anstieg des Körpergewichts in der Schwangerschaft ist normal und nicht automatisch ein Hinweis auf Diabetes, kann aber in Kombination mit Übergewicht ein Risikofaktor sein.
Wie wird Schwangerschaftsdiabetes diagnostiziert?
Trotz fehlender Symptome kann Schwangerschaftsdiabetes rechtzeitig diagnostiziert werden – mithilfe spezieller Labortests, die bereits beim ersten Gynäkologentermin empfohlen werden. Frauen mit erhöhtem Risiko (z. B. familiäre Vorbelastung, Übergewicht) sollten bereits vor einer geplanten Schwangerschaft regelmässig kontrolliert werden.
Ein Blutzuckerwert auf nüchternen Magen von 100 mg/dl (5,6 mmol/l) gilt als Obergrenze. Liegt der Wert zwischen 100 und 125 mg/dl, wird ein oraler Glukosetoleranztest (OGTT) – auch „Zuckerkurve“ genannt – durchgeführt. Schwangere mit normalen Werten benötigen keine weiteren Tests ausser den routinemässigen Kontrollen. Bei auffälligen Ergebnissen werden regelmässige Wiederholungen des Tests empfohlen. Das Testmaterial ist venöses Blut.
Ist Schwangerschaftsdiabetes gefährlich für das Kind?
Im ersten Trimester kann Schwangerschaftsdiabetes besonders gefährlich für das ungeborene Kind sein, da die Organbildung (Organogenese) in vollem Gange ist. Mögliche Fehlbildungen betreffen vor allem:
- Herz und zentrale Nervenstrukturen
- Arterienverformungen
- Anenzephalie (Fehlen grosser Teile des Gehirns)
- Spina bifida (offener Rücken)
- Unterentwicklung der Beine oder des Beckens
Frühzeitige und konsequente Behandlung kann die Risiken deutlich reduzieren. Entscheidend ist die Kontrolle des Blutzuckers über die gesamte Schwangerschaft hinweg.
Mögliche Komplikationen
Spätere Komplikationen beim Kind sind meist metabolischer Natur, z. B.:
- Hyperglykämie
- Hypokalzämie
- Überdurchschnittlich hohes Geburtsgewicht (Makrosomie), was Kaiserschnitte nötig machen kann
- Geburtsverletzungen
- Atemnot (Mekoniumaspiration)
- Infektanfälligkeit
Sehr selten kann es zu einer Vergrösserung der Langerhans-Inseln in der Bauchspeicheldrüse kommen. Psychomotorische Entwicklungsstörungen oder eine spätere Neigung zu Übergewicht, Typ-2-Diabetes und metabolischem Syndrom sind ebenfalls möglich.
Wie wird Schwangerschaftsdiabetes behandelt?
Die Behandlung sollte interdisziplinär erfolgen – mit Betreuung durch Diabetologen, Ernährungsberater und Gynäkologen. Ziel ist die Stabilisierung des Blutzuckerspiegels. Die White-Klassifikation unterscheidet zwischen:
- Typ G1: Diät allein reicht aus
- Typ G2: Insulintherapie notwendig
Leichte, regelmässige Bewegung hilft zusätzlich. Sie muss jedoch dem Schwangerschaftsstadium und der Fitness der Frau angepasst sein.
Wie funktioniert die Insulintherapie?
Insulin wird subkutan (unter die Haut) injiziert. Dosis und Zeitpunkt werden individuell angepasst. Wenn morgens hohe Werte auftreten, ist eine schnellwirkende Insulin-Injektion vor dem Frühstück nötig. Wenn abends hohe Werte vorliegen, kann eine langwirkende Dosis vor dem Schlafengehen erforderlich sein. Die Therapie erfolgt immer unter ärztlicher Aufsicht.
Allgemeine Empfehlungen bei Schwangerschaftsdiabetes:
- Blutzuckerkontrolle mindestens 4× täglich (nüchtern und nach Mahlzeiten)
- Gesunde, ausgewogene Ernährung
- Körperliche Aktivität zur Verbesserung der Insulinempfindlichkeit
- Gewicht im Normalbereich halten
- Zuckerarme Ernährung
- Insulintherapie gemäss ärztlicher Anweisung
- Regelmässige Ultraschalluntersuchungen zur Überwachung des Kindes
Ernährung bei Schwangerschaftsdiabetes – was essen, was vermeiden?
Die Diät sollte ähnlich der Ernährung bei Typ-2-Diabetes sein:
- Kalorien angepasst an das Körpergewicht (ca. 35 kcal/kg bei normalem BMI, 25 kcal/kg bei Übergewicht)
- 5–6 kleine, regelmässige Mahlzeiten
- Kohlenhydrate aus Vollkornprodukten, Eiweiss, gesunde Fette (z. B. aus Fisch, Pflanzenölen, Hülsenfrüchten)
- Wenig verarbeitete Lebensmittel
- Schonende Zubereitung: dämpfen, kochen, schmoren
- Alternativen: z. B. Joghurt mit hausgemachtem Müsli statt gesüsstem Fruchtjoghurt
Nach der Geburt
Nach der Entbindung kann die spezielle Diät beendet werden. Der Blutzucker sollte aber für ca. 7–10 Tage weiter kontrolliert werden. Wurde Insulin verwendet und betrug die Dosis <10 Einheiten, kann es meist sofort abgesetzt werden. Bei höheren Dosen sollte sie schrittweise reduziert werden. Die Nachsorge erfolgt gemeinsam mit Arzt und Hebamme.
Schwangerschaftsdiabetes – wussten Sie, dass …?
- Eine von zehn Schwangeren entwickelt Schwangerschaftsdiabetes.
- Die Rückfallquote in einer Folgeschwangerschaft liegt bei 30–69 %.
- 18–50 % der Betroffenen entwickeln später Typ-2-Diabetes.
- Viele Frauen ändern durch diese Diagnose dauerhaft ihre Ernährungsweise.
- Stress beeinflusst das Diabetesrisiko während der Schwangerschaft.
- Schwangerschaftsdiabetes ist kein Urteil – gute Selbstfürsorge verringert Komplikationen deutlich.
FAQ
Was ist Schwangerschaftsdiabetes?
Ein Zustand, in dem die Insulinproduktion gestört ist, was zu erhöhtem Blutzucker führt. Betroffen ist etwa 1 von 25 Schwangerschaften.
Welche Tests werden durchgeführt?
Der orale Glukosetoleranztest (OGTT), empfohlen zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche, ist Standard.
Wie erfolgt die Behandlung?
Anpassung von Ernährung und Bewegung. Wenn nötig, wird Insulin verabreicht.